Plenary session: Looking inside
– Martin J. Kemp, Professor of the History of Art, History of Art Department, University of Oxford
„Leonardo’s body of visual knowledge“
– Hans Wigzell, Deputy Chairman, Karolinska Investment Fund, Stockholm
„Leonardo and Lennart Nilsson – viewing and imaging of the human body“
– Heinrich Mächler, Department of Cardiac Surgery, Medical University of Graz
„Leonardo da Vinci and Leonardo da Pisa – from their minds to modern cardiac science“
Martin Kemp ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Oxford. Als international anerkannter Leonardo da Vinci-Forscher hat er seine wissenschaftlichen Ergebnisse in mehreren Büchern publiziert und 1989 initiierte er eine große Leonardo-Ausstellung. Ihm untersteht die Eventreihe Universal Leonardo Project, wo er erstmals 2006 in Ausstellungen die Kunst und die Wissenschaft des Renaissance-Künstlers präsentierte.
Aufgrund tausender Seiten mit Zeichnungen und Notizen lässt sich belegen, wie Leonardo seine innovativen Ideen und kreativen Visionen entwickelte von der Funktion der Herzklappen bis hin zu seinen Flugmaschinen. Martin Kemp lässt das Leben und das Werk Leonardo da Vincis verstehen. Kemp weist immer wieder auf die entscheidende Prämisse Leonardos hin, die besagt „dass die scheinbaren Unterschiede der Natur Symptome einer inneren Einheit sind, einer Einheit, die von so etwas wie einer einheitlichen Feldtheorie abhängig ist, mit der sich letztlich die Funktionsweise sämtlicher Dinge in der beobachtbaren Welt erklären lasse“ (Zitat Kemp). Er wird in seinem Vortrag begreifen lassen, dass Leonardos Begriff des „Sehens“ eine doppelte Bedeutung umfasst, die dieses Wort im Englischen und Italienischen hat, nämlich „etwas betrachten“ und „etwas verstehen“. „Das Auge, das als das Fenster der Seele bezeichnet wird ist das primäre Instrument, kraft dessen das Gehirn die Werke der Natur am vollständigsten zu betrachten vermag“ (Zitat Leonardo).
Das Auge ist eben mehr als ein Fotoapparat, es lässt uns etwas betrachten und verstehen. Diesen Aspekt der Wissensübermittlung, das Verstehen durch das Sehen, hat uns nach Leonardo da Vinci wieder Lennart Nilsson mit dem ersten Foto eines lebenden menschlichen Embryos am Titelblatt des Magazins Life 1965 vermittelt – „er kann als das Gegenstück zu Leonardo da Vinci betrachtet werden“ (Zitat Wigzell).
Nilsson gilt als einer der bedeutendsten Wissenschaftsfotografen, der im Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Kunst modernste Technologie mit künstlerischer Meisterschaft verbindet. Seine spektakulären Bilddokumentationen über die Entwicklung des Lebens im Mutterleib wurden über Nacht zum Bestseller, mehrmals wurde er mit dem Emmy Award ausgezeichnet. Seine Mission ist es das Unsichtbare sichtbar und verstehbar zu machen. Er begab sich auf eine faszinierende Reise in das Innere des menschlichen Körpers und widmete sich dem Mysterium des Lebens auf umfassende Weise. Nilsson ist seit vielen Jahren für das Karolinska Institut in Stockholm tätig.
Hans Wigzell, er war u.a. von 1995 bis 2003 Präsident des Karolinska Instituts, hat die einzigartigen Bilder in Nilssons Büchern wissenschaftlich kommentiert und erläutert das Werk Lennart Nilssons im Kontext historischer Körperdarstellungen. Professor Hans Wigzell ist einer der führenden Naturwissenschaftler der Welt, vor allem im Bereich der Immunologie, Tumor- und Zell-Biologie. Er war Vorsitzender der Nobelversammlung, zur Zeit ist er u.a. Vorsitzender des EU-Programms zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen Aids und einer der höchsten wissenschaftlicher Berater der schwedischen Regierung.
Mathematische Formeln, die in natürlichen Systemen regelmäßige Proportionen ausdrücken, dienten seit jeher zur Darstellung des menschlichen Körpers. Nach Euclid von Alexandria hat Leonardo da Pisa, bekannt auch als Fibonacci, Begriffe wie „den goldene Schnitt“ und die Faszination einer Zahlenreihe, verkörpert durch die Zahl phi, in Europa noch vor Leonardo da Vinci wiederentdeckt und weiterentwickelt. Auch Leonardo Da Vinci glaubte die Harmonie zwischen den Funktionen der einzelnen Körperteile entdecken zu können. Diese Zahl der „inneren Einheit, durch jene sich die Funktionsweise sämtlicher Dinge erklären lässt“ (Zitat Leonardo Da Vinci) wird nun langsam in der modernen Wissenschaft wiederentdeckt. Neuere Publikationen auf dem Gebiet der Kardiologie und Herzchirurgie weisen daraufhin, dass die Funktionsweise des Herzens, vor allem auf dem Gebiet der Herzinsuffizienz neu verstanden werden muss.
Heinrich Mächler, Professor an der Herzchirurgie der medizinischen Universität Graz, zeigt das Verständnis Fibonaccis in der Konstruktion der Welt auf und lässt Parallelen zwischen einer Nautilus-Muschel und der Konstruktion bedeutender Bauwerke, aber auch zwischen dem Erscheinungsbild einer Ananas und dem Aufbau des Herz-Muskels erkennen. Leonardo da Vinci war der Erste, der die Bewegung des Wassers mit vierundsechzig Begriffen (Abprall, Zirkulation, Rotieren, Umlauf, Wenden, Rückstoss & ) beschrieb und ließ uns durch seine Zeichnungen auch den Blutfluss im Herz verstehen. Lennart Nilsson zeigt uns, dass eine fragile Herzklappe kein simples Ventil sein kann. Moderne bildgebende Verfahren in der Medizin und chirurgische Optionen zur Therapie der Herzinsuffizienz zeugen nun von der Genialität Leonardos und Fibonaccis – Strömungsverhältnisse und Funktionsweisen des Herzens werden neu verstanden.
Leonardo verzweifelte an Worten als Beschreibungsmittel für komplexe Phänomene, da er spürte, dass nur seine Zeichnungen angemessene visuelle Darstellungen derselben liefern konnten (Zitat Kemp). Dies ist auch das Ziel der Referenten in ihren Vorträgen, eine „strong visual“ Komponente zu bieten, welche durch das Sehen Begreifen lässt.
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Heinrich MÄCHLER
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Professor, Klinische Abteilung für Herzchirurgie, Universitätsklinik für Chirurgie, Medizinische Universität Graz | | | |
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Hans WIGZELL
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Scientific Advisor to the Swedish Prime Minister, Stockholm | | | |
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